Ein Beruf in der Pferdewelt, das wär´s! Vielleicht als Bereiter? Aber wie lange kann man diesen Beruf aufgrund der körperlichen Belastung ausüben? Und was kommt danach?
Diese Fragen stellen sich viele junge Menschen, die gerne in der Pferdebranche beruflich Fuß fassen möchten. Und sie sind nicht unberechtigt. Die meisten Jobs am und im Stall verlangen einiges ab, was häufig zu Lasten der körperlichen Gesundheit geht. Und bis zur Rente sind diese Jobs nur in den seltensten Fällen zu leisten. Es wird also ein Plan B benötigt. Aber wie kann dieser aussehen?
Eine Möglichkeit bietet die Ausbildung zum Pferde- oder Sattelergonom. Sie vermittelt ein umfangreiches, wissenschaftlich fundiertes Wissen zum Thema Sattelpassform, Analyse und anatomischer sowie biochemischer Beratung. Bekannte und renommierte Ausbildungsstätte für diesen Beruf ist die Saddlefit 4 Life-Akademie. In der folgenden 4teiligen Blogserie möchten wir Euch das Berufsbild und die Ausbildung mit Hilfe von Informationen zur Ausbildung, Fallbeispielen und einem Kurzporträt von Jochen Schleese – Begründer der Saddlefit 4 Life-Philosophie – vorstellen.
Fallbeispiel 1: Easy does it
erzählt von Terry Peiper, Sattel-Ergonomin, www.fitrightsaddlesolutions.com .
„Easy, der eigentlich Terrys Favorite heißt, ist ein Dunkelfuchs des NHRA Hall of Fame Reining Horse, Streetwisenterprise. Sein raumgreifender Schritt und sein athletischer Körperbau machten ihn zu einem hervorragenden Nachwuchspferd fürs Barrel Racing. Er startete einige Jahre lang erfolgreich beim Barrel und Pole Racing und war zusätzlich ein begehrtes Dressurpferd.
Im Jahr 2002 gewann er sein erstes Championat in einer dressurlich gerittenen Westerndisziplin („saddle“). 2006 gewann er in derselben Disziplin wieder ein Championat und startete in weiteren Dressurklassen. Im selben Jahr wurde bei ihm eine Hufgelenkschale sowie Spat diagnostiziert. Da die herkömmliche Behandlung mit Injektionen von Phenylbutazon und Adequan nicht anschlug, wurde Easy aus dem Sport genommen und nur noch als Schulpferd für Anfänger eingesetzt.
Im November 2009 hörte ich einen Vortrag von Jochen Schleese bei der amerikanischen Reitlehrertagung in Naples, Florida. Ich wollte sofort mehr darüber wissen, wie Sättel auf meine Reitschüler und unsere Pferde wirken. Innerhalb eines Jahres wurde ich Zeugin verschiedener rätselhafter Verwandlungen. Pferde, die lahm waren, gingen plötzlich klar. Pferde, die irre und unkontrollierbar waren, wurden reitbar. Pferde, die sich mit weggedrücktem Rücken steif und übellaunig bewegten, wurden geschmeidig und rund. Pferde mit Sattelzwang, die beim Satteln bissen, standen auf einmal still und ließen sich satteln. Je mehr ich sah, desto mehr wollte ich lernen.
Als mir im Februar 2011 ein paar Freunde vorschlugen ein Saddlefit4life Training in Florida zu besuchen, sagte ich sofort ja. Einiger Wochen später saß ich in Jochens Kurs neben Jane Savoie. Das Thema war die Widerristfreiheit, und dass Druck auf die Nerven seitlich des Widerrists sich so auswirkt, dass das Pferd unwillkürlich den Rücken hohl macht, das Becken rotiert, die Hinterhand nach hinten herausstellt und auf „Zehen“ schlurft. Natürlich wusste ich, dass oben auf dem Widerrist drei Finger Raum haben mussten, aber dass der gesamte Widerrist frei bleiben musste, hatte ich nicht gewusst. Und damit befand ich mich in bester Gesellschaft im Kurs.
Das Stichwort des Schlurfens oder Nachziehens der Zehe hatte mich in Alarmstimmung versetzt. Easy hatte seit jeher dieses Problem und nichts und niemand hatte es bisher beheben können. Ich konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, dass Easys Lahmheit ja womöglich von seinem Sattel verursacht worden war. Was, wenn ich mein Pferd eines Tages wieder reiten konnte? Wenn sich die Hinterhand nach hinten herausstellt, sind Knie und Sprunggelenk unter Spannung, da sie in dieser Position nicht physiologisch arbeiten können. Das Pferd sieht dann so aus, als habe es ein Problem in diesen Gelenken. Mit der Zeit wird die unphysiologische Überbeanspruchung der Gelenke dazu führen, dass Chips, Arthritis, eine Entzündung oder andere Sprunggelenkprobleme auftreten. Wieder schrillte eine Alarmglocke in meinem Kopf.
Dann sagte Jochen, dass es durch die Verhärtung der Muskeln zu einem Engstand der Dorn- oder Querfortsätze der Wirbelsäule kommen kann, ein Zustand, der auch unter dem Namen Kissing spines bekannt ist und der eng mit Sprunggelenkproblemen zusammen hängen kann.
Ich konnte es kaum abwarten, nach Hause zu kommen, auch wenn es dort zehn Grad kälter war. Ich wollte schnellstmöglich den Rücken von Easy röntgen lassen. Ich stellte ihn einem Arzt vor, der uns nicht kannte und der nichts von meiner Sattelanpassungsfortbildung wusste. Die Diagnose besagte, dass Easy unter ausgeprägten Kissing Spines litt. Die Röntgenaufnahme seines Rückens sah entsetzlich aus. Der Therapievorschlag lautete, dass ich ihn mit einem kurzen Sattel vorwärts-abwärts reiten und in der Aufwärmphase galoppieren sollte. Einen Monat später passte Jochen einen Sattel für Easy an und noch einige Monate später startete er auf einem Dressurturnier. Mein Lieblingspferd war wieder da!
Zunächst kam meine Fortbildung in Sattelanpassung vor allem meinen Schülern zugute, doch wegen Easys Geschichte wurde ich Teil des Saddlefit4life Netzwerks von Fachleuten und gründete Fit Right Saddle Solutions. Easys Geschichte kann ich nicht ungeschehen machen, aber ich kann alles dafür tun, um andere Pferde davor zu bewahren, das gleiche Schicksal zu erleiden und durch schlecht angepasste Sättel unnötig Schaden nehmen zu müssen.“