Der Arbeitsmarkt der Pferdebranche ist vielfältig, genau wie die Jobs, die er zu bieten hat. Laut einer Studie der Deutschen Reiterlichen Vereinigung e.V. (FN) zum Wirtschaftsfaktor Pferd verdienen allein in Deutschland rund 300.000 Menschen ihren Lebensunterhalt direkt oder indirekt mit dem Thema Pferd. EquiJob, das Jobportal der Pferdebranche, und das HorseFuturePanel haben sich den Arbeitsmarkt mit der „Arbeitsmarktstudie Pferdewirtschaft 2017/2018“ etwas genauer angesehen und Teile der Ergebnisse im Rahmen der „spoga horse“ in Köln vorgestellt.
Short Facts zur Arbeitsmarktstudie 2017/2018
Die Studie wurde im letzten Quartal 2017 durchgeführt. Rund 430 Probanden nahmen teil, davon 104 Arbeitgeber, 208 Arbeitnehmer und 117 Arbeitssuchende. Um die Ergebnisse besser und eindeutig zuordnen zu können, wurden die Teilnehmer in drei Sektoren klassifiziert: Primärsektor (z.B. Gestüte, Reit- und Zuchtbetriebe, Pensionspferdehaltung), Sekundärsektor (z.B. Hufbeschlag, Veterinärbereich) und Tertiärsektor (Handel, Industrie und Dienstleistungen).
Hintergrund und damit auch wesentliche Zielsetzung der Studie war, unterschiedliche Ansichten zum Berufsbild, den Tätigkeitsinhalten und dem Arbeitsalltag in der Pferdewirtschaft zu identifizieren sowie Transparenz über die Anforderungen der Arbeitgeber und die Vorstellungen der Arbeitnehmer zu schaffen. Vor allem sollte es dabei um das Herausstellen von Unterschieden gehen. Setzt man sich etwas intensiver mit dem Arbeitsmarkt der Pferdebranche auseinander, erlangt man sehr schnell das Gefühl, dass die Erwartungen und Vorstellungen beider Parteien sehr weit auseinander liegen. Aber mit „gefühltem Wissen“ lässt sich selten ein Bewusstsein für ein Problem entwickeln. Reale Fakten können dabei weitaus hilfreicher sein.
Ein Einblick in die Arbeitsmarktsituation
Entsprechend dem Publikum auf der „spoga horse“ beziehen sich die dort vorgestellten Ergebnisse ausschließlich auf den Tertiärsektor, d.h. Handel, Industrie und Dienstleistung in der Pferdebranche. Der Anteil an Unternehmen in diesem Sektor liegt bei rund 20%. Das entspricht nach der Studie der Deutschen Reiterlichen Vereinigung rund 60.000 Jobs. Bei der Frage nach der eigenen beruflichen Zukunft in den nächsten zwei Jahren gaben 56% der Arbeitnehmer an, dass sie ihrem aktuellen Job treu bleiben möchten. Über 30% streben allerdings einen Jobwechsel an, knapp 10% sogar einen Branchenwechsel. Diese Zahl ist besonders besorgniserregend, da die Branche – wie fast alle Branchen in Deutschland – mittlerweile deutlich mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen hat. Ein Verlust von 10% der potenziellen Arbeitnehmer schmerzt in dieser Situation natürlich doppelt.
Setzt man nun die 44%, die ihrem Job nicht treu bleiben wollen, ins Verhältnis zu den 60.000 Jobs im Tertiärsektor, ergeben sich über 26.000 Vakanzen in den nächsten zwei Jahren. Das entspricht über 13.000 Vakanzen pro Jahr. Die Fluktuationsquote liegt damit bei erschreckenden 22%. Zum Vergleich: Der bundesdeutsche Durchschnitt über alle Branchen liegt bei rund 14%.
Weitergerechnet reden wir also von über 1.200 zu besetzenden Positionen pro Monat, und dieser Wert berücksichtigt noch nicht den zunehmenden Personalbedarf durch Wachstum. Knapp 30% der befragten Unternehmen gaben an, dass sie in den nächsten Jahren Personal aufbauen möchten, entweder weil die aktuellen Kapazitäten nicht mehr ausreichen oder weil die Planung signifikantes Wachstum vorsieht. Diese Zahlen zeigen deutlich, dass die Personalbeschaffung für Unternehmen in den kommenden Jahren keine leichte Aufgabe wird. Bereits heute geben 66% der Unternehmen an, dass der Fachkräftemangel (deutlich) spürbar ist und fast 50% merken die rückläufige Anzahl an Bewerbungen an. Über 60% sprechen sogar von einem intensiven Wettbewerb um gute Kandidaten.
Beste Chancen für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende?
All diese Zahlen lassen nur einen Schluss zu: Wir leben in den besten Zeiten für Arbeitnehmer und Arbeitssuchende! Trotzdem kritisieren diese häufig, dass es schwer ist einen passenden Job bei einem attraktiven Arbeitgeber zu finden. Wie passt das zusammen?
Eine mögliche Ursache liegt in der Vorgehensweise der Unternehmen bei der Personalrekrutierung. Zwar gaben im Rahmen der Arbeitsmarktstudie 48% der Arbeitgeber an, dass es ihnen (eher) schwerfällt, geeignete Bewerber zu finden, allerdings sehen 60% der Unternehmen keine Notwendigkeit, etwas im Rahmen ihrer Personalrekrutierung zu ändern. Die Ausgaben für Personalrekrutierung gaben 70% der Unternehmen mit 500 Euro oder weniger an. Berücksichtigt man die Kosten für eine Stellenanzeige auf den gängigen Jobportalen, wie z.B. Monster oder Stepstone, die mit einer Laufzeit von einem Monat zwischen 800 und über 1.000 Euro liegen, lässt sich daraus ableiten, dass die Jobs auf diesen Portalen schon einmal nicht zu finden sind. Auch die eigene Webseite wird nur von 36% der befragten Unternehmen zur Ausschreibung von Vakanzen genutzt. Da drängt sich natürlich die Frage auf, wo man die Stellenausschreibungen überhaupt finden kann.
Ebenfalls passen die Anforderungen der Arbeitgeber und die Vorstellungen der Arbeitnehmer teilweise überhaupt nicht zusammen. Vor allem bei den Themen „Flache Hierarchien“, „Gehalt“, „Einbringen eigener Ideen“ und „Work-Life-Balance“ klaffen die Ansichten beider Parteien signifikant auseinander, wie die folgende Abbildung zeigt.
Quelle: Arbeitsmarktstudie 2017/2018
Eine weitere Ursache kann auch die fehlende Kompetenz der Arbeitnehmer sein. Zum Beispiel gaben 15% der Unternehmen an, dass sie Kandidaten benötigen, die Schwedisch sprechen. Allerdings gaben nur 3% der Arbeitnehmer und Arbeitssuchenden an, dass sie diese Sprachkompetenz vorweisen können. Mit anderen Worten werden teilweise auch Fähigkeiten am Markt gesucht, die bei den Kandidaten faktisch gar nicht vorhanden sind. Die Bereitschaft, in die Weiterbildung der Mitarbeiter zu investieren, ist dagegen aber wiederum eher gering ausgeprägt.
Ein Blick in die Zukunft
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Arbeitsmarkt der Pferdebranche in den kommenden Jahren vor einer nicht zu unterschätzenden Herausforderung steht. Die Erkenntnis und das Bewusstsein dafür sind bereits vorhanden, der Entschluss, etwas zu ändern, allerdings nur bedingt. Wichtig für die Bewältigung dieser Herausforderung ist und bleibt der Dialog zwischen den Arbeitnehmern und den Arbeitgebern und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen. Jedoch kann und darf dies keine Einbahnstraße sein. Im Rekrutierungsprozess und beim Umgang mit Mitarbeitern gibt es sicherlich in vielen Unternehmen Optimierungsbedarf, aber auch die Arbeitnehmer und Arbeitssuchenden müssen ihren Willen zur Kompromissbereitschaft deutlich machen. An Erwartungen festzuhalten, die die Branche auch beim besten Willen einfach nicht erfüllen kann, hilft niemandem weiter. Immerhin bekunden 60% der Unternehmen, dass die Anforderungen seitens der Kandidaten nicht mit den Möglichkeiten des Unternehmens zu vereinbaren sind, sei es ein hohes Gehalt, der Wunsch nach Home-Office bei einem Job, der vor Ort erledigt werden muss, oder zu wenig Flexibilität bei den Arbeitszeiten.
Die Pferdewirtschaft ist überwiegend von Kleinstunternehmen geprägt. Möglichkeiten, wie sie den Arbeitnehmern bei großen Konzernen geboten werden, sind eher wenig oder gar nicht zu finden. Damit muss man auch ein Stück weit leben, wenn man in dieser Branche arbeiten möchte. Dafür hat man die einmalige Gelegenheit, seine Leidenschaft mit dem Job zu verbinden. Und jeder, der schon einige Jahre im Berufsleben steckt, weiß, dass dies doch eigentlich unbezahlbar ist.
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